Charta der Zeitarbeit im Volkswagen Konzern, 2012

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Präambel

Die Konzernleitung, der Europäische Konzernbetriebsrat und der Weltkonzern betriebsrat des Volkswagen Konzerns verständigen sich in dieser Charta auf Grundsätze zur Zeitarbeit im Volkswagen Konzern. Diese dienen zur Sicherstellung angemessener Beschäftigungs- und Entlohnungsbedingungen von Zeitarbeitnehmern bei Volkswagen sowie zur einheitlichen Handhabung des Instruments Zeitarbeit im gesamten Volkswagen Konzern.

Arbeitnehmer- und Unternehmensseite stimmen über Folgendes überein:

•Der maßvolle Einsatz von Zeitarbeit ist für Volkswagen ein notwendiges Flexibilitätsinstrument.

•Das Equal-pay-Prinzip wird im Rahmen eines Stufenplans umgesetzt, die Entlohnung der Zeitarbeitnehmer im Konzern entwickelt sich anschließend mit steigender Erfahrung und Qualifizierung analog der Stammbelegschaft.

•Zeitarbeit im Volkswagen Konzern ist immer mit Qualifizierungsangeboten für die Zeitarbeitskräfte verbunden.

•Zeitarbeit ist neben Berufsausbildung und der Einstellung von Hochschulabsolventen ein dritter Zugangsweg in die Volkswagen Stammbelegschaft.

Zeitarbeit wird so für den Einzelnen1, wenn er die notwendigen Qualifikationen erworben hat und im Unternehmen entsprechende Bedarfe bestehen, zur individuellen Chance auf Übernahme in die Stammbelegschaft.

1 Männliche und weibliche Bezeichnungen werden aus Gründen der sprachlichen Verständlich¬keit in dieser Charta synonym gebraucht. Gemeint sind stets beide Geschlechter.

Gleichzeitig dient Zeitarbeit bei Volkswagen zum Ausgleich konjunktureller Schwankungen oder zur Bewältigung von besonderen Aufgaben wie dem Aufbau von Betrieben oder großen Betriebsteilen, für die ein temporärer Personalbedarf besteht. Hier kann Zeitarbeit neben externen Einstellungen eine personalpolitisch sinnvolle und unternehmerisch notwendige Ergänzung der Stammbelegschaft sein, sofern sie den im Folgenden vereinbarten Grundsätzen folgt, die sowohl dem Schutz der Stammbelegschaft wie dem Schutz der Zeitarbeitskräfte dienen.

Definition

Unter Zeitarbeit werden im Sinne dieser Charta Arbeitsverhältnisse verstanden, bei denen der Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag mit einem Verleihunternehmen hat und von diesem für einen vertraglich definierten Zeitraum für die Arbeit unter der Aufsicht und Leitung von Volkswagen überlassen wird. Hiervon zu unterscheiden ist die Erbringung vertraglich definierter Arbeitsleistungen für Volkswagen, bei denen die Arbeitgeberrechte und -pflichten im Hinblick auf Arbeitszeiten, Weisungen, Qualifizierung etc. vollständig bei der Fremdfirma verbleiben. Der Einsatz von Ferienarbeitern ist nicht Gegenstand dieser Vereinbarung.

Ausgestaltung der Zeitarbeit bei Volkswagen

a)Begrenzung der Zahl der Zeitarbeitskräfte

Die Zahl der Zeitarbeitskräfte im Volkswagen Konzern hat stets in einem angemessenen Verhältnis zur Stammbelegschaft zu stehen. Als Richtgröße hierfür gelten 5 Prozent Zeitarbeiter pro Standort. Unternehmens- und Arbeitnehmervertretung können an jedem Standort einvernehmlich abweichende Quoten vereinbaren. Werden die 5 Prozent pro Standort überschritten, verpflichten sich Unternehmens- und Arbeitnehmervertretung im Rahmen der in der Charta der Arbeitsbeziehungen festgelegten Konsultationsmechanismen, Beratungen darüber aufzunehmen, ob eine Absenkung des Anteils der Zeitarbeitnehmer notwendig ist und hierüber eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen. Bereits bestehende Mitbestimmungsrechte und durch die Umsetzung der Charta der Arbeitsbeziehungen zukünftig erworbene Mitbestimmungsrechte werden hierdurch nicht eingeschränkt.

Der Europäische Konzernbetriebsrat und der Weltkonzernbetriebsrat haben das Recht, sich von der Konzernleitung jederzeit über die Anzahl der eingesetzten Zeitarbeitskräfte im Unternehmen oder an einzelnen Standorten sowie über deren prozentualen Anteil an der Gesamtbelegschaft informieren zu lassen. Die Arbeitnehmervertretungen vor Ort haben für ihre jeweilige Ebene die gleichen Rechte wie der Europäische Konzernbetriebsrat und der Weltkonzernbetriebsrat für das Gesamtunternehmen.

b)Equal Pay und Equal Treatment

Bezugsbasis für Equal Pay ist das jeweilige Grundentgelt.

Alle weiteren Entgeltbestandteile, z.B. Schicht- und Mehrarbeitszuschläge, richten sich nach orts- bzw. branchenüblichen, wenn vorhanden tariflich geregelten Sätzen.

Es kann ein Einarbeitungsentgelt gezahlt werden, dass sich an den betrieblichen und standortbezogenen Regelungen orientiert. Spätestens nach Ablauf von neun Monaten erhält der Zeitarbeitnehmer das gleiche Grundentgelt wie ein vergleichbarer Stammmitarbeiter. Die Höhe des Einarbeitungsentgelts wird von den zuständigen Tarifparteien einvernehmlich festgelegt.

Leistungsorientierte Entgeltbestandteile wie z.B. Teambonus und individueller Leistungsbonus stehen den Zeitarbeitskräften ab dem zweiten Jahr ihrer Beschäftigung, wenn ihre Leistung erstmals evaluiert werden konnte, in analoger Höhe zur Stammbelegschaft zu. Bei Leistungsbewertungen gelten für Zeitarbeitnehmer die gleichen Kriterien wie für Stammbeschäftigte.

Tochtergesellschaften des Volkswagen Konzerns, die als Verleihunternehmen fungieren, gewähren ihren Beschäftigten eine Ergebnisbeteiligung. Das Ausschüttungsvolumen der Ergebnisbeteiligung beträgt für die gesamte Belegschaft mindestens 10% des operativen Ergebnisses der jeweiligen Konzerntochter. Dieses Volumen verteilt sich auf die Anspruchsberechtigten.

Der Volkswagen Konzern trägt Sorge dafür, dass die Verleihunternehmen, das auf der Basis dieser Vereinbarung festgelegte Entgelt vollumfänglich an die Mitarbeiter auszahlen.

Zahlungen, die an die dauerhafte Zugehörigkeit zum Volkswagen Konzern geknüpft sind, fallen nicht unter diese Equal-pay-Regelung.

Die Festlegung der arbeitszeitlichen Regelungen, z.B. wöchentliche Arbeitszeit, Pausen- und Ruhezeiten etc. richtet sich nach den geltenden Regelungen des Einsatzbereiches des Standorts des Volkswagen Konzerns, in dem der Zeitarbeitnehmer eingesetzt ist.

Es ist untersagt, Zeitarbeitnehmer in rechtmäßig bestreikten Betrieben einzusetzen.

Zeitarbeitskräfte werden während des Einsatzes für Volkswagen in ihren Beschäftigungsbedingungen der Stammbelegschaft gleichgestellt. Zum equal treatment gehört eine Gleichbehandlung der Zeitarbeitnehmer zum Beispiel beim Zugang zu allgemeinen Unternehmensinformationen, beim Gesundheits- und Arbeitsschutz, dem Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen und -diensten sowie bei den Sozialstandards, soweit es sich nicht um Angebote und Einrichtungen handelt, die aus zwingenden Gründen nur für Angehörige der Stammbelegschaft vorgesehen sind.

Alle den Einsatz betreffenden Vertretungsrechte werden durch die Arbeitnehmervertreter von Volkswagen wahrgenommen, wenn gesetzliche oder betriebliche Regelungen dem nicht entgegenstehen.

c)Begrenzung der individuellen Einsatzdauer

Zum Schutz der Zeitarbeitnehmer soll, soweit national keine kürzeren Fristen gelten, die jeweilige Einsatzdauer im Volkswagen Konzern insgesamt drei Vertragsverlängerungen oder den Zeitraum von insgesamt 36 Monaten nicht übersteigen. Hat der Zeitarbeitnehmer die Höchstdauer seiner Beschäftigungszeit erreicht, wird seine Übernahme in die Stammbelegschaft von den zuständigen Stellen individuell geprüft.

Den Zeitarbeitskräften muss eine Mindesteinsatzdauer von sechs Monaten angeboten werden, weiterhin soll die angebotene Laufzeit von Vertragsverlängerungen mindestens sechs Monate betragen. Innerhalb der Einsatzzeit werden Zeitarbeitnehmer jeweils mindestens vier Wochen vor einer Verlängerung ihres Einsatzes über diese Verlängerung und ihre geplante Dauer unterrichtet. Soweit nationale Gesetze und tariflich verhandelte Normen es erlauben, können Unternehmens- und Arbeitnehmervertretung an jedem Standort einvernehmlich abweichende Mindesteinsatzdauern und Laufzeiten vereinbaren.

d)Chance auf Übernahme und Qualifizierung

Wenn erkennbar ist, dass Zeitarbeitnehmer auf Basis der Personalplanungen dauerhaft eingesetzt werden können, werden sie nach zwischen dem Unternehmen und der Arbeitnehmervertretung für den Standort vereinbarten Übernahmekriterien bevorzugt in die Stammbelegschaft übernommen. Eine Übernahme nach 18 Monaten wird bei Vorliegen entsprechender Qualifikationen, persönlicher Voraussetzungen und einem nachhaltigen Personalbedarf geprüft. Damit wird Zeitarbeit bei Volkswagen zur Chance auf Übernahme in die Stammbelegschaft und neben Berufsausbildung und Trainee-Programmen sowie externen Direkteinstellungen zu einem dritten Zugangsweg in das Unternehmen. Alle Marken und Gesellschaften stellen sicher, dass Zeitarbeitnehmer bei nachhaltigen Personalbedarfen bei Einstellungen vorrangig berücksichtigt werden. Sie verpflichten sich weiterhin, ihre fachlich bezogenen Qualifizierungsangebote den Zeitarbeitskräften ebenso anzubieten, wie der Stammbelegschaft der jeweiligen Standorte.

e) Auswahl der Verleihunternehmen

Entleihverträge werden nur mit Verleihunternehmen abgeschlossen, welche die „Anforderungen des Volkswagen Konzerns zur Nachhaltigkeit in den Beziehungen zu Geschäftspartnern“ anerkennen. Ist in einem Land die Zeitarbeit tarifiert oder durch einen gesetzlichen Mindestlohn reguliert, verpflichtet sich Volkswagen, nur mit Firmen zu kooperieren, die diese Mindeststandards einhalten.

Eine „verdeckte“ Zeitarbeit durch die Kooperation mit Verleihunternehmen, die als Abnehmer von Werksaufträgen auftreten, ihre Arbeitgeberrechte aber lediglich formal ausüben, wird von den Vertragsparteien ausgeschlossen.

Abschließende Bestimmungen

Diese Charta stellt eine Ergänzung und Weiterentwicklung bestehender Vereinbarungen und Erklärungen, insbesondere der Charta der Arbeitsbeziehungen im Volkswagen Konzern und der Erklärung zu den sozialen Rechten und den industriellen Beziehungen bei Volkswagen, dar. Sie gilt für die Gesellschaften, die im Europäischen Konzernbetriebsrat und Weltkonzernbetriebsrat des Volkswagen Konzerns vertreten sind. Aus ihr können durch Dritte keine Ansprüche geltend gemacht werden.

Die beteiligten Parteien erkennen die landesspezifischen gewerkschaftlichen Traditionen und unterschiedlichen gesetzlichen sowie tariflichen Regelungen in verschiedenen Ländern an. Die Bestimmungen dieser Charta müssen mit lokalen Gegebenheiten vereinbar sein. Stellt die Einhaltung von länderspezifischen Standards für die Zeitarbeitskräfte eine Verschlechterung im

Vergleich zu dieser Charta oder anderer Grundsätze des Volkswagen Konzerns dar, so greift stets diejenige Regelung, die für die Zeitarbeitskräfte günstiger ist. Stellen nationale tarifliche oder betriebliche Regelungen oder Gesetze die Zeitarbeitskräfte günstiger, werden diese Regelungen von dieser Charta nicht berührt.

Sollte es bei der Auslegung dieser Charta oder der Praktizierung der hier festgeschriebenen Grundsätze zu Unstimmigkeiten kommen, beraten zunächst örtliche Einigungsgremien aus Vertretern der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite über eine einvernehmliche Lösung. Wird auf dieser Ebene keine Einigung erzielt, werden der Präsident und der Generalsekretär des Europäischen Konzernbetriebsrats bzw. des Weltkonzernbetriebsrates sowie der Arbeitsdirektor und der Leiter Konzern Personal International zur Lösungsfindung einbezogen. Das aus diesen Personen bestehende Gremium fungiert als Schieds- und Schlichtungsstelle.

Diese Vereinbarung kann, wenn beide Seiten dies wünschen, einvernehmlich angepasst werden. Sollte eine Regelung dieser Vereinbarung unwirksam sein, vereinbaren die Parteien eine neue zu finden, die der unwirksamen möglichst nahe kommt.

Diese Charta ist in deutscher Sprache verfasst worden. Sollten sich durch Übersetzung der Originalfassung dieser Charta in eine andere Sprache Abweichungen ergeben, so gilt im Zweifel die deutsche Fassung.

Die Charta tritt mit ihrer Unterzeichnung in Kraft und gilt nicht rückwirkend. Die betrieblichen oder tariflichen Parteien an den jeweiligen Standorten verständigen sich auf eine Umsetzung dieser Charta bis zum 30. Juni 2013.

München, den 30. November 2012

für

den Europäischen Volkswagen Konzernbetriebsrat und den Volkswagen Weltkonzernbetriebsrat

für

die Volkswagen Konzernleitung

für

IndustriALL Global Union

DEU Volkswagen Group - 2012

Anfangsdatum: → 2012-11-30
Enddatum: → Ohne nähere Angaben
Name Branche: → Verarbeitendes Gewerbe
Name Branche: → Fahrzeugbau und Fertigung von KFZ-Teilen
Öffentlicher/ privater Sektor: → In the private sector
Abgeschlossen durch:
Name Firma: →  Volkswagen Group
Namen der Gewerkschaften: → 
Name andere Unterzeichner der Arbeitnehmerseite: → Europäischen Volkswagen Konzernbetriebsrat und den Volkswagen Weltkonzernbetriebsrat

Weiterbildung

Trainingsprogramme → Yes
Ausbildungen → No
Arbeitgeber trägt zum Trainingsfond für Arbeitnehmer bei: → No

Themen der Geschlechtergleichstellung

Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit: → Yes
Besondere Verweis auf Geschlechter zur Lohngleichheit: → No
Klauseln zur Diskriminierung am Arbeitsplatz: → No
Gleiche Chancen der Beförderung für Frauen: → No
Gleiche Möglichkeiten zur Weiterbildung und Umschulung für Frauen: → No
Gewerkschaftlicher Vertantwortlicher für die Geschlechtergleichstellung am Arbeitsplatz → No
Klauseln über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: → No
Klauseln über Gewalt am Arbeitsplatz: → No
Sonderurlaub für Arbeitnehmer, die häuslicher Gewalt oder Gewalt durch den Intimpartner ausgesetzt sind: → No
Unterstützung für Arbeitnehmerinnen mit Behinderung: → No
Kontrolle der Gleichstellung der Geschlechter → No

Arbeitsverträge

Teilzeitbeschäftigte von Bestimmung ausgeschlossen: → No
Bestimmungen zu Zeitarbeitern: → Yes
Auszubildende von Bestimmung ausgeschlossen: → No
Minijobs/ Studentenjobs von Bestimmung ausgeschlossen: → No

Löhne

Löhne festgelegt anhand der Durchschnitte der Lohnskalen: → No
Bestimmung, dass die Mindestlöhne von der Regierung beachtet werden müssen: → Yes
Anpassung aufgrund steigender Lebenshaltungskosten: → 

Essenscoupons

Verpflegungszuschuss bereitgestellt: → No
Kostenfreier Rechtsbeistand → No
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